Reportagen
Regatta-Wochenende in St. Moritz
Klassenfahrt nach St. Moritz, oder das unendliche Warten auf den Maloja-Wind
Eigentlich könnten wir auch nur sagen, dass es traumhaft, ja fast unwirklich schön war, aber das interessiert die geneigte Leserschaft ja weniger, sondern vielmehr die Fakten, Zeiten, Siege, die man eben über eine Regatta so erfahren möchte:
Also, am Freitagmittag, 8. August 2025, starteten wir nach St. Moritz ins Oberengadin. Wir, das sind Annette, Karin, Rico, Agnieszka, Friedrich, Olmo, Julia, Phillip und Irène. Um es gleich an gebührender Stelle zu Beginn dieses Berichtes würdigend zu erwähnen, Irène ist eine ganz ausgezeichnete Reiseleiterin! Für die Mehrzahl unserer Gruppe waren die Oberengadiner Seen (im Sommer) noch Neuland, Irène führte uns (über diese) mit einer Nonchalance von einem Höhepunkt zum nächsten.
Auf der Hinreise, wir reisten mit zwei motorisierten Fahrzeugen und zwei Skiffs, trafen wir uns zu einer kurzen Erfrischung im gutbesuchten Badesee von Savognin. In Badelatschen ging es dann weiter bergan Richtung Julierpass. Noch ein kleiner Kultur-Zwischenstopp am Weissen Turm von Muglens und einem Käse-Kauf-Zwischenstopp auf der Alp Suraqua erreichten wir den Julierpass mit 2’284m über dem Meer (ca. 2’000m über Basel!). Ab dann ging es wieder bergab ins Oberengadin und da erblickten wir zuerst den Silvaplanersee mit einem bunten Ballett der Drachen unzähliger Kitesurfer. Da hatten wir ihn, den sagenumwobenen Maloja-Wind, der uns den Tagesablauf des bevorstehenden Regattatages vorgab und der, so wurde uns quasi von jedem Einheimischen und allen erfahrenen Oberengadin-Ruderinnen und -Ruderern angekündigt: IMMER und JEDEN Tag garantiert irgendwann zwischen 11:47 und 12:00 ganz plötzlich einsetzt. Wir Erstsemester hatten jedenfalls gewaltige Ehrfurcht vor diesem meteorologisch-thermophysikalisch-topografischen Phänomen und seinen herausfordernden Auswirkungen auf den Rudersport.
Der Freitagabend umfasste noch das Bootsabladen am Bootshaus des St. Moritzer Ruderclubs (SMRC), den Bezug der Jugendherberge und das gemeinsame Nachtessen mit Remo (ehemaliger Blauweissler und inzwischen auf dem Bielersee rudernd) sowie dem fast vollständig anwesenden SMRC.
Da wir am nächsten Morgen noch vor Öffnung der Jugi-Frühstücks-Küche aus dem Haus an den Steg starten mussten, organisierte Annette an der Rezeption schnell noch die Znüni-Tüten und dann gings ab auf die Zimmer in die Doppelstockbetten. Wer bis jetzt noch nicht das Gefühl der Klassenfahrten in sich aufsteigen fühlte, der war dann aber endgültig in seine frühe Jugend versetzt, als es hiess: «Licht aus und Gute Nacht, morgen wollen wir fit und schnell sein.»
Der Regattatag begrüsste uns am St. Moritzsee mit spiegelglattem Wasser, Sonne und angenehmen 12°C, «Kurz» war angesagt. Um 7:30 gingen die ersten Boote an den Start. Für das gute Gelingen der Regatta war das perfekte Ineinandergreifen der Helferinnen und Helfer und der Athletinnen und Athleten essenziell. Unser Verein stellte also zwei Teams, vier Männer und vier Frauen. Irène sicherte vom Land aus den reibungslosen Ablauf der Bootswechsel. Neben unseren beiden Teams stellten sich noch acht weitere Teams der Herausforderung (vor dem Einsetzen des Maloja-Windes wieder beide Füsse auf festem Boden zu bekommen). Folgendes Programm galt es zu absolvieren:
1. Aufgabe: Alle fahren ca. 1’500m im Skiff um ein Viereck aus Bojen. Gestartet wurde im fliegenden Start. Jede/jeder wurde mit Namensnennung durch den Regatta-Chef auf die Strecke geschickt.
2. Aufgabe: Jedes Team fuhr mit zwei Doppelzweiern je 500m in einer Staffel. Gestartet wurde jeweils im Rennstart.
3. Aufgabe: Jedes Team startet im Doppelvierer auf eine Strecke von ca. 500m.
Die Regatta konnte ohne besonders nennenswerte Zwischenfälle pünktlich vor dem sicher vorhergesagten Einsetzen des Maloja-Windes beendet werden. Nicht unerwähnt darf aber bleiben, dass Friedrich noch vor Rückkehr aus St. Moritz seinen Kenter-Kurs bereits absolviert hatte. Und das kann nun wirklich nicht jeder von sich behaupten, im mondänen St. Moritzsee seinen Kenter-Einstand gegeben zu haben. Die Ergebnisse wurden nicht sofort verkündet, dafür mussten wir uns noch bis zum Abend gedulden.
Nachdem die eigenen Boote wieder versorgt und die vom GC-Zürich und von der Stämpfli-Werft freundlicherweise geliehenen Boote wieder zurückgegeben waren, wollten natürlich auch die anderen noch badengehen. Doch bevor das Nachmittagsprogramm startete, hielten wir noch vor eine Bäckerei in St. Moritz Down-Town und kauften fast den halben Tresen leer, denn wir hatten Hunger und brauchten auch noch Energie für den Nachmittagsausflug. Und natürlich hatte Irène mit dem Badebedürfnis ihrer Reisegruppe gerechnet und hielt einen nächsten Höhepunkt für uns bereit, eine kleine Wanderung zum Stazersee. Der Stazersee ist ein Moorsee oberhalb des St. Moritzersees gelegen, ca. 30 Minuten Fussweg von unserer Jugi entfernt. Das Schwimmen auf ca. 1’900m in einem kühlen See an dem inzwischen deutlich wärmeren Nachmittag war eine willkommene Erfrischung und Erholung pur. Die nassen Badekleider trockneten wir bei einem anschliessenden Sonnenbad mit Blick auf See und Bergkulisse. Der eine oder die andere nickte ein und holte sich die Kraft zurück, die die Regatta forderte. Nach ca. zwei Stunden purem Faulsein verliessen wir wieder die Ufer des Stazersees und wanderten zurück durch den würzig duftenden Arven- und Lärchenwald zur Jugendherberge.
Am frühen Abend bereiten wir uns dann auf den nächsten Höhepunkt, den Apero am SMRC mit der Siegerehrung vor. Als wir im Bootshaus ankamen, war die kleinen Terrasse schon sehr gut gefüllt. Die Freude war gross, all die in «zivil» wiederzusehen, gegen die wir am Vormittag gestartet sind. Und um so grösser war die Freude, als unserem Frauenteam der vierte Platz verkündet wurde!!! Friedrich wurde für seine Kenter-Einlage auch mit einem der seltenen und begehrten SMRC-Trinkgläser in Form eines Whisky- oder Gin-Tonic-Glases bedacht. Unser Herrenteam hat tapfer gekämpft und landete auf dem achten Rang. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass Friedrich, Olmo, Philipp, Remo und Julia noch nie in einem Skiff regattierten, diese Regatta war ihre Premiere in dieser Bootsklasse. Und wenn sich die aufmerksame Leserschaft jetzt fragt, wo denn eigentlich Rico verblieben war, dem/der sei auch dieses Rätsel gelöst. Rico fuhr mit der Startnummer 1 (!) in den Farben des SMRC, wir sehen es ihm nach, ohne seinen guten Draht zum SMRC wären wir wahrscheinlich nicht ohne Weiteres so unkompliziert an diese Regatta gekommen.
Als sich der Apéro dem Ende neigte, stellten auch die einheimischen SMRC-Freunde fest, dass es komisch ist, dass der Maloja-Wind heute gar nicht wehte. Tja, auch diesbezüglich war der Tag etwas ganz Besonderes. Den Abend schlossen wir in einem Kellerclub mit Livemusik ab und trugen mit unserem Besuch deutlich zur Erhöhung des Altersdurchschnittes des Publikums bei. Auf dem Fussmarsch zurück zur Jugi durchwanderten wir St. Moritz bei hellem Vollmond. Jetzt waren wir definitiv schon sehr weit weg vom trubeligen und heissen Basel und ein Teil unserer Reisegruppe durfte sich noch auf den dritten Tag im Oberengadin freuen.
Auch der Sonntag startet nicht wesentlich später als der Samstag, nur dass wir uns alle zusammen noch zum gemeinsamen Frühstück in der Jugi treffen konnten. Olmo, Karin, Annette und Phillipp mussten uns danach verlassen. Das Achter-Kick-Off im Clubhaus auf der Kraftwerksinsel im Rhein und diverse berufliche Verpflichtungen mahnten sie zum Aufbruch.
Die Glücklichen, die bleiben konnten, Rico, Remo, Friedrich, Irène und Julia hatten also noch die Freude, den nächsten Reisetag unter perfekter Organisation unserer Reiseleiterin geniessen zu dürfen. Und diesmal stand ein wahrer Ruder-Genusspunkt auf dem Programm: Eine Ausfahrt auf dem Silsersee. Tja, und was soll man dazu schreiben? Mit Nietzsches Worten vielleicht soviel: «Hier ist es mir bei weitem am wohlsten auf Erden».
Mit den von Melchior Bürgin, Werft Stämpfli und Gründungsinitiant des SMRC, freundlich bereitgestellten Booten stachen wir auf den traumhaften Silsersee: Blaues, klarstes, spiegelglattes Wasser und ringsumher eine Bergkulisse, die schon auf tausenden Reiseprospekten gesehen, aber diesmal in echt und Farbe und quasi nur für uns allein, der ganze See von Sils bis nach Maloja!!! Gestartet ohne Steg, frisch aus dem knietiefen, ufernahen Wasser ins Boot, umrundeten wir die Nietzsche-Halbinsel und legten gut acht Kilometer zurück. Wenn wir die Rückgabe der Boote nicht an Melch versprochen hätten, jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt gewesen, um durchzubrennen, so frei fühlten wir uns!!
Doch auch dieses fantastische Landschaftserlebnis war nicht der Endpunkt unsere Reise. Vor der endgültigen Rückkehr nach Basel stand noch die Einladung im Hause von Heiri und Christine zum Mittagessen aus. So begaben wir uns also nach Surlej und bei Pasta und Glace und im angeregten Gespräch mit den Freunden des SMRC tat sich vor uns eine sagenhafte Aussicht über den Silvaplanersee, den Silsersee bis weit nach Maloja auf. Und auch wenn es schon weit nach drei Uhr nachmittags war, als wir uns von unseren Gastgebern verabschiedeten, hat sich auch bis dahin noch kein Maloja-Lüftchen gezeigt.
Wahrscheinlich meinte es der grosse Wettergott an diesem Wochenende im Oberengadin sehr, sehr gut mit uns.
Wir danken allen, die uns diese Reise zu so einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben von ganzem Herzen und freuen uns, unsere neugewonnenen Ruderfreundschaften mit einer Einladung nach Basel weiterzupflegen.
«A revair SMRC!, A revair Oberengadin!»
Für den Bericht und die Fotos: Julia Bobert und Friedrich Walther


